„Kein Anruf geht verloren“
Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz e.V. in Lenzkirch, und IT-Berater Guido Roth (IT-Einfach) setzen seit Mitte 2015 auf die Multichannel Automatic Call Distribution (ACD) der Telekom. Dank der Lösung können Betroffene, Ärzte und Pfleger die Telefonberater nun rund um die Uhr erreichen – damit wird eins der wichtigsten Ziele des Verbands Wirklichkeit.
Frau Kraft, wenn ein Kind sterben muss, ist das für die betroffenen Familien eine Tragödie. Ist es für die Eltern eine große Überwindung, bei Ihnen anzurufen?
Kraft: Ja, leider melden sich viele erst bei uns, nachdem sie schon einen langen Leidensweg hinter sich haben. Die meisten Menschen kennen nur Hospize für Erwachsene und verbinden sie mit Sterben und Tod. Zum Hörer zu greifen und bei einem Kinderhospiz anzurufen, das empfinden viele Eltern so, als würden sie ihr Kind aufgeben. Dabei können Kinderhospize die Familien stark entlasten. Sie helfen bei der Bewältigung des Alltags, kümmern sich um die Geschwisterkinder. Und das sofort, nachdem ein Arzt die Diagnose gestellt hat. Uns ist wichtig zu vermitteln, dass die Zeit bis zum Tod des Kindes Lebenszeit ist, nicht Sterbenszeit. Deshalb sprechen wir auch von „lebensverkürzend“ erkrankten Kindern.
Seit dem 19. Juni 2015 gibt es dafür das bundesweite freecall-Sorgentelefon OSKAR. Wie haben Sie solche Anrufe vorher bearbeitet?
Kraft: Über mein Handy. Meine Nummer war bekannt. Väter und Mütter, die es nicht mehr ausgehalten haben, haben daher bei mir angerufen. Das passierte vielfach nachts oder am Wochenende. Und weil die Kinder oft schon lange krank waren und ich die erste Person in der „Hospizversorgung" war, der sich die Betroffenen anvertrauten, dauerten solche Gespräche manchmal sogar zwei Stunden. Es war reiner Zufall, ob ich gerade erreichbar war oder nicht. Etliche Anrufe sind sicher verloren gegangen, so schlimm das für die Betroffenen auch gewesen sein muss.
Da hätten Sie sich manchmal ein professionelles Sorgentelefon gewünscht, oder?
Kraft: Den Plan, so etwas wie OSKAR ins Leben zu rufen, hatte ich in der Tat schon lange. Uns fehlte aber das Geld. Dann bekamen wir im Jahr 2010 von der Pharmafirma Grünenthal eine großzügige Förderung, um eine solche Telefonhotline ins Leben zu rufen. Mir schwebte gleich so etwas wie das Kinder- und Jugendtelefon „Nummer gegen Kummer“ vor, eine Nummer, die überall bekannt ist.
Wie kamen Sie auf die Multichannel ACD der Telekom?
Kraft: Guido Roth macht die IT für den Bundesverband. Und das schon seit 2005, als die Bundesgeschäftsstelle quasi nur aus meinem Wohnzimmer bestand – Herr Roth hat die gesamte Entwicklung des Bundesverbands Kinderhospiz e.V. erlebt und war stets ein zuverlässiger und professioneller Partner rund um unsere IT und Telefonie. Deshalb war gleich klar, dass er sich darum auch um unser Sorgentelefon kümmern sollte.
Roth: Ich habe mich zunächst bei einem Konkurrenten der Telekom umgeschaut, aber dort bin ich nicht richtig weitergekommen. Ich habe keinen direkten Ansprechpartner zu fassen bekommen, keiner konnte mir Preise nennen. Dann erzählte mir eine Unternehmerin und Botschafterin des Bundesverbands, dass sie in ihrer Firma die ACD der Telekom im Einsatz habe. Sie meinte, das sei genau das Richtige für uns. Vor allem hatte sie einen direkten Draht zur Telekom.
Wie lief die Zusammenarbeit?
Roth: Reibungslos. Die Wege sind kurz. Ich hatte schnell meine festen Ansprechpartner, wir haben ein Team in der Region Freiburg vermittelt bekommen. Und die haben mich wirklich gut beraten.
War die Einrichtung der Multichannel ACD kompliziert?
Roth: Überhaupt nicht. Das habe ich gemeinsam mit dem Team der Telekom gemacht. Wir haben 35 Nutzer eingerichtet, die jetzt mit Laptop und Handy von zu Hause aus Telefondienste übernehmen können. Sie melden sich per Web-Client oder Telefon an. Nach einer kurzen Einweisung konnten das alle. Zumindest habe ich noch keine Klagen gehört. Das ist für einen IT-Administrator immer ein gutes Zeichen.
Frau Kraft, hat Sie überrascht, was mit der Multichannel ACD alles möglich ist?
Kraft: Ja, ich fand es positiv, dass die Kollegen zu Hause arbeiten können und dass ein normales, einfaches Handy genügt. Die Menschen rufen in der Regel nicht zu normalen Geschäftszeiten an. Eine Anrufentgegennahme im Büro wäre auch deshalb organisatorisch kaum umsetzbar, weil die Telefonberater über ganz Deutschland verstreut sind. Schließlich ist es auch schwierig, für etwa 4 Stunden Erreichbarkeit die Fahrt in ein Büro zu verlangen, wenn es sich um Mitarbeiter im Niedriglohnbereich oder gar Ehrenamtliche handelt. Das geht zu Hause viel bequemer und für unsere Art der Beratung lässt sich hier auch ein günstigeres Umfeld schaffen. Ich fand es auch gut, dass unsere Telefonberater so schnell mit der Technik zurechtgekommen sind. Man darf nicht vergessen, dass sie aus der praktischen Hospizarbeit kommen und manche mit Technik sonst wenig zu tun haben.
Wieso war es eigentlich so wichtig, dass OSKAR eine freecall-Nummer ist? Ist es Eltern in einer solchen Situation nicht egal, was der Anruf kostet?
Kraft: Das ist eine gute Frage. Aber erstens wollten wir OSKAR so niedrigschwellig wie möglich halten. Das bedeutet eben auch, dass die Menschen nicht noch über Kosten nachdenken sollen. Und zweitens kommt es gar nicht so selten vor, dass Eltern mit lebensverkürzend erkrankten Kindern in wirtschaftlichen Problemen stecken. Manche können nicht mehr arbeiten, haben vielleicht viel Geld für teure Therapien ausgegeben.
Wie wird OSKAR bisher angenommen?
Kraft: In den ersten drei Monaten hatten wir bereits über 1.000 Anrufe, das ist überraschend viel. Noch bekommen wir das sehr gut mit jeweils einem Telefonberater abgedeckt. Sollten mal zwei Leute gleichzeitig anrufen, gibt es eine Warteschleife – allerdings nur für maximal fünf Minuten. Ruft dann noch jemand Drittes an, bekommt er sofort die Ansage, dass leider alle Berater im Gespräch sind. Das ist bisher aber nicht vorgekommen. Sollte sich das ändern, würden wir aufstocken.
Also planen Sie, das Projekt zu erweitern?
Kraft: Mein Ziel ist es, den Bedarf zu decken. Wenn wir davon ausgehen, dass etwa 40.000 Familien
in Deutschland lebensverkürzend erkrankte Kinder haben und nur jede zweite Familie künftig bei uns anruft, dann brauchen wir bald Verstärkung. Ich könnte mir auch vorstellen, OSKAR zusätzlich irgendwann in Richtung Online-Beratung auszubauen.
Roth: Deshalb war es uns so wichtig, dass die ACD technisch und inhaltlich mitwachsen kann. Einmal ist sie skalierbar. Theoretisch kann ich immer neue Benutzer anlegen. Und dann bietet sie umfangreiche Multichannel-Funktionen, die wir heute noch gar nicht alle nutzen. Aber vielleicht in Zukunft.
Frau Kraft, inwiefern hat die Multichannel ACD Ihnen geholfen, Ihre Ziele besser zu erreichen?
Kraft: Sie hat nicht nur dabei geholfen. Mit OSKAR konnten wir eines der wichtigsten Ziele des
Bundesverbands überhaupt verwirklichen. Wir ermöglichen Familien, sich rund um die Uhr an uns zu
wenden und sich Hilfe und Beratung zu holen. Gleichzeitig machen wir so die Kinderhospiz-Arbeit bundesweit bekannt. Für uns war es ein technisches Problem und das hat die Telekom gelöst. Kein
Anruf geht mehr verloren. Jeder, der uns braucht, bekommt Hilfe.